Samstag, 20. März 2010

Unwiderstehlich

( Diese Geschichte ist im Rahmen von Donnas Schreibwerkstatt entstanden. )

Ein Lächeln, zart wie die ersten Sonnenstrahlen des herannahenden Frühjahres, dachte er versonnen.
Aber leider galt es nicht ihm. Aus dem Augenwinkel taxierte Herr Sorgenfrey den Herrn neben sich. Viel jünger als er konnte dieser Typ nicht sein. Gut, etwas sportlicher schaute er aus. Aber diese Riesenbrille da oben in dem schon licht wertenden Haar sah doch dämlich aus. Erkannte die Frau ihm gegenüber denn nicht, dass dieser Mensch neben ihm aller Wahrscheinlichkeit nach ein ziemlicher Lackaffe war? Tja, aber das Lächeln hatte seinem Nachbarn gegolten und nicht ihm. Das war nicht weg zu deuten. Zu allem Überfluss malte er sich dann auch noch aus, wie er sich vorstellen würde: 'Gestatten, Sorgenfrey.' Er musste sich eingestehen, dass seine Frustration eher zunahm.

Herr Sorgenfrey war nicht glücklich mit seinem Namen. Wann immer er sich jemandem vorstellte, fügte er zwar hinzu 'Sorgenfrey mit einem Ypsilon am Ende'. Das tat er schon automatisch. Aber es half nicht wirklich. Manchmal würde er lieber Moppelmann heißen. Jörg Erich Moppelmann würde besser zu seinem Charakter passen, fand er. Denn er war ein sehr geduldiger und gutmütiger Mensch. Und dass er außerdem hilfsbereit war, bekam er jeden Morgen von Frau Fuchs bestätigt, wenn er ihr die Haustür aufhielt, um die Zeitung aus dem Briefkasten zu holen. Manchmal war die Zeitung noch nicht im Kasten. In solchen Fällen gelang es ihm eigentlich immer, Frau Fuchs zu beruhigen, bis der Zeitungsjunge eintraf. Aus diesem Grunde wusste er, ebenfalls von Frau Fuchs, dass er ein sehr geduldiger Mensch war. Dabei war es für ihn nicht unangenehm, der alten Frau zuzuhören. Er staunte immer wieder, wie viele Einzelheiten sie mit ihren beinahe achtzig Jahren noch wiedergeben konnte. Dass zumindest seine Nachbarschaft ihn auch als gutmütig qualifizierte, wusste er aus keiner direkten Quelle. Aber Frau Hartwig auf der anderen Seite seines Hauses hatte ihn überall als tollen Babysitter angepriesen. Frau Hartwigs Tochter wollte ihn unbedingt als Opa haben, wo er doch die kleine Susi bisher nur ein paar Mal gehütet hatte. Susi war acht Jahre alt und ein sehr aufgewecktes Kind. Er hatte ihr Geschichten aus seiner Kindheit erzählt und sogar mit ihren Barbipuppen gespielt. Darauf hin hatte die Kleine ihrer Mutter erklärt: 'Der wird mein Opa. Der ist so lieb.'

Mit Damen zwischen acht und achtzig fand Herr Sorgenfrey den Umgang deutlich schwieriger, sofern es denn überhaupt zu einer diesbezüglichen Gelegenheit kam. Herr Sorgenfrey war ein konservativer Mensch und hatte sich schon immer gesagt, dass er nicht jede Mode mitmachen musste. Aber in letzter Zeit hatte er sich öfter beim Grübeln ertappt, nachdem es ihm wieder nicht gelungen war, den Blick einer Schönheit zu erhaschen. Zugegeben, es war auch ein wenig das schlechte Gewissen, das ihn dann immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Schließlich war er seit zwanzig Jahren mit einer schönen und klugen Frau verheiratet. Eigentlich glücklich verheiratet, wäre seine Antwort gewesen, so ihn denn jemand gefragt hätte. Aber das war noch nie vorgekommen. Jedenfalls war er sehr glücklich damals gewesen, als Rommy ihm ein schmachtendes 'Aber klar doch, Liebling!' entgegen gehaucht hatte, noch bevor er seine Frage richtig heraus gestammelt hatte. Denn ein Stammeln war es gewesen, als er um ihre Hand anhielt. Aber das hatte Rommy überhaupt nicht gestört. Verständnisvoll hatte er auch hingenommen, dass sie ihren Mädchennamen behalten hatte. Schneider klang ja auch besser als Sorgenfrey. Es klang sogar besser als Rommy Moppelmann. Und überhaupt, wenn man Rommy Schneider heißt, nimmt man keinen anderen Namen an. Das war ihm gleich klar gewesen.

Jedenfalls war Herr Sorgenfrey zu dem Schluss gekommen, dass die Zeit reif sei für Veränderungen. Er fand es plötzlich lächerlich, immer noch diese alte Strickjacke zu tragen, die ihm seine Mutter damals vor zehn Jahren gestrickt hatte. Mit dem After Shafe war das schon schwieriger. Das nahm er zwar auch schon so seit etwa zehn Jahren, aber das hatte Rommy ihm zum Geburtstag geschenkt. Seitdem hatte er sich immer wieder genau dieses After Shave gekauft, als hätte er Angst sonst seine Vergangenheit zu verlieren. Doch da war diese Stimme, die ihn immer wieder mahnte, sich endlich zu ändern und ein moderner Mensch zu werden.

Eines Tages beschloss Herr Sorgenfrey tatsächlich, mutig zu sein und seine eigene Zukunft aktiv in die Hand zu nehmen. Auslöser war der Artikel in dieser bunten Zeitschrift beim Zahnarzt gewesen, der sich darüber ausbreitete, dass Männer so nach etwa sieben Ehejahren nicht mehr genügend für ihr äußeres Erscheinungsbid investieren würden. Und so kaufte sich Herr Sorgenfrey ein After Shave mit dem verheißungsvollen Namen "Irresistible", was auf gut Deutsch so viel heißt wie "Unwiderstehlich". Auf den ersten Einsatz dieses Wässerchens setzt er große Hoffnung. Doch seine Angetraute zeigt keinerlei Reaktion. Als er Rommy ziemlich gereizt auf sein neues Rasierwasser hinwies, ihr den schönen Mann auf der Flasche unter die Nase hielt und ihr schließlich auch noch den Preis nannte, erwiderte sie mit fürsorglicher, ja beinah tröstender Stimme, sie verstünde nicht, dass er so enttäuscht sei. Auf seine erstaunte Gegenfrage "Wieso?" antwortet sie trocken: Es sei doch allgemein bekannt, was heutzutage von Werbung zu halten sei.

Jorge D.R.

17 Kommentare:

  1. Tja, der Umgang mit Damen zwischen acht und achtzig will gelernt sein...
    Deine Geschichte ist köstlich!
    Werden wir von Herrn Sorgenfrey,der manchmal lieber Moppelmann heißen würde, noch mehr lesen??? Wird er außer dem After Shave noch anderes wechseln???

    Danke für die vergnügliche Geschichte, Jorge!

    Hab ein schönes Wochenende! LG - Donna

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  2. Die Krise in der Mitte des Lebens wird Herrn Sorgenfrey auch noch abnehmen lassen und eventuell kauft er sich sogar Body-Lotion ...

    Schmunzelnde Grüße!

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  3. Also ich finde Herrn Sorgenfrey/Moppelmann eigentlich ganz sympathisch ;-))

    Liebe Grüsse
    Brigitte

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  4. Was soll man zu diesem Herrn Sorgenfrey sagen!?
    Hilfsbereit, gutmütig und geduldig machen eben noch nicht unwiderstehlich, auch nicht mit dem passenden Rasierwasser... ;-)

    Köstlich, die Geschichte!

    Gruss, Quer

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  5. Wäre er Herr Sorgenfrei hätte er diese Sorgen sicher nicht. Aber so?

    Tja, jeder testet hin und wieder seinen Marktwert. Das ist garnicht mal so schlecht. Und wenn es nicht mehr klappt, dann muss man was ändern. Ist sowieso gut, immer mal was zu ändern. Nur die Basics müssen bleiben. Finde ich jedenfalls.

    Schöne Geschichte. Vielen Dank. Hab mich gut unterhalten gefühlt.

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  6. Die lieben Frauen. Ich verstehe gar nicht, was so schwer zu verstehen ist an uns ;)

    Vielen Dank für diese schöne Geschichte. Ich musste doch sehr schmunzeln.

    Liebe Grüße,
    gori

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  7. Da treffen Träume auf die Realität. Hoffentlich kommt Herr Sorgenfrey (was für ein bedeutsamer Name!) damit zurecht.

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  8. Hallo, vielleicht sollte der Herr Sorgenfrey/Moppelmann/Möchtegern mal das Wort "eigentlich" in der Beschreibung seiner Ehe streichen - dann kann er sich wieder voll auf seine Frau konzentrieren und muss nicht immer sehnsüchtig nach jüngeren schmachten, die ihn eben - mit oder ohne After Shave - doch übersehen.
    Wie immer, gut zu lesen sagt
    Clara

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  9. wenn er schon sorgenfrey heist, muß er ja gutmütig,hilfsbereit und geduldig sein, was sonst?
    moppelmann hätte sich vielleich statt eines neuen after shave, eine neue jacke gekauft.
    sehr gut beschriebene midlife-crisis eines möchtegern casanovas. *g*
    liebe grüße
    spini

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  10. Ja, das hat mir gut gefallen. Machen Männer sich wirklich soviele Gedanken um ihre Außenwirkung?
    Wünsche ein gutes(unwiderstehliches) Wochenende, liebe Grüße, Petra

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  11. Vielleicht ist das After Shave ja nur der erste Schritt dazu, sein Leben tatsächlich aktiv neu zu gestalten. Misserfolge können sowohl niederschmettern als auch motivieren.
    So oder so und ob man nochmal von ihm etwas lesen wird oder nicht:
    Schöne, sehr gut lesbare, sympathische Geschichte!!

    Liebe Grüße,
    Patricia

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  12. grins......klasse Geschichte
    malein Päckchen schnüre mit neuer Jacke und Aftershave für Herrn Sorgenfrei...lache
    aber ob das wirklich helfen wird???schmunzel...

    köstlich amüsante Geschichte
    mit viel Humor geschrieben

    Habe es sehr sehr gerne gelesen
    alles liebe
    und eine Hand voll Sternenstaub

    vom Sterntalerchen

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  13. Irresistible story. More, more!

    :-))) E.

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  14. @all
    Herzlichen Dank an euch alle. Freut mich, dass mein Text gefallen hat. Und wieder geht ein besonderes Dankeschön an Donna für ihre Initiative und die Moderation. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass immer einer vorangehen muss, soll aus einer Idee etwas werden. Also Danke, liebe Donna :-)

    Jorge D.R.

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  15. *schmunzel*
    Steckt nicht in jedem von uns ein sorgenfreYer MoppelMann? Danke für diese herrliche Kurzweil, die einen über das Lesen hinaus beschäftigt, ohne Langweil zu werden!
    Ganz lieben Gruß
    bigi

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  16. Wie gut das nicht alle Sorgenfreys diese Probleme haben ;)

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  17. Da ist er ja, der Herr Sorgenfrey :) Und seine Rommy heisst Schneider, dass ist ja ein Knaller :)
    Toll, ich mag ihn auch sehr, den Herrn Sorgenfrey - und Moppelmann würde ich ihm wirklich nicht empfehlen ;)

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