Montag, 3. Dezember 2012

ein voller himmel

Diesmal beginne ich mein ( kurzes ) Gedicht mit einer Standort- und Situationsbeschreibung. Warum? - Weil mein Können nicht ausreicht, um die Gefühle in eine verständliche, lyrische Form zu gießen. Vielleicht versteht ihr meine Zeilen nach diesem Vorspann ein klein wenig besser.

Ich bin in Iquique, im Norden Chiles, am Rande der Atacama Wüste. 20.28 Grad südlicher Breite, 70.12 Grad westlicher Länge. Ich sitze hier im Freien neben dem Flugfeld einer Paragleiterschule, wo wir mit unserem Auto campieren dürfen. Vor mir 180 Grad freie Sicht auf den Pazifik. Die Nacht kommt plötzlich in diesen Breiten. Der blutrote Feuerball ist vor ein paar Minuten im Wasser versunken. Der letzte Paragleiter ist gelandet. Soeben gehen bei den beiden Fischkuttern draußen am Horizont die Positionslichter an. Die Möwen vorne auf den Klippen geben langsam Ruhe.

Die Kerze neben meinem Monitor hat sich beruhigt, denn der Wind hat sich gelegt. Die Große Sanddüne hinter mir zeichnet einen bizarren Scherenschnitt in den entstehenden Sternenhimmel.

Jetzt über Glück grübeln? Über Heimat reden?

Nein, das will ich nicht. Ich öffne auf meinem Notebook ein neues Fenster, stelle auf Vollbild. Das Weiß blendet wie ein großes, leeres Blatt Papier. Darauf schreibe ich mein ( kurzes ) Gedicht für euch.



ein voller himmel

als alle worte zurückkamen
waren die tränen
erstarrt in lapislazuli

denn die hoffnung ist blau

Jorge D.R.



8 Kommentare:

  1. lieber jorge,

    ein wunderschönes gedicht und ich kann es fast als antwortgedicht (ein so hoffnungsvolles auf "mein leeres blatt papier")lesen.
    deine zeilen umhüllen und wärmen!

    alles liebe für dich
    gabriele

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  2. Gänsehautzeilen !

    und danke für deine Impressionen eures Standortes: als ob ich neben euch stehen könnte

    lieben Gruß
    Uta

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  3. Lieber Jorge,

    dies zählt zu den schönsten Gedichten, die ich in letzter Zeit las. Es ist so, als ob ich neben dir säße und diese Worte mit dir teilte.

    Ganz nah.
    Gerti

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  4. Jörg, du Lieber,

    ich könnt heulen, so berühren deine Worte...

    Danke dafür!

    Ist dir dort, in weiter Ferne
    nach Advent zumute?

    Dir eine feine Zeit
    von Herzen
    Rachel

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  5. bei deinen zeilen wird man (wurde ich) ganz ruhig ...
    danke dafür!
    lg lintschi

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  6. Das ist schon eine ganz andere Stimmung als die in dem Ort, wo es so voll war wegen der Festlichkeiten. ;-)
    Kurzlyrik vom Feinsten, lieber Jorge D.R.!

    Mit dem Lapislazuli liegst du ja nicht schlecht in Chile, lese ich.
    Der Fundort ist Ovalle, gut 1000km südlich, von Iquique, sagt die Karte.
    80 km westlich von Ovalle liegt der Nationalpark Bosque de Fray JORGE.. ;-)

    ..grüßt Monika herzlich

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  7. oh, lieber jorge, das ist ein kleines ganz wunderfeines, wunder_volles.
    sehr wohl kann es für sich stehen, aber mit den vorangestellten zeilen wird es in einen besonderen, stimmungsvollen kontext gesetzt.
    hab dank für die zuversicht, die so klar aus deiner "miniatur" zu spüren ist!

    alles gute für dich, mit lieben grüßen,
    diana

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  8. die kurzen Gedichte geben den Raum frei.
    wundervoll!
    Gruß
    Barbara

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